Bilanz 1 Jahr schwarz-rot im Hochtaunuskreis

Das Jahr 1 nach den letzten Kommunalwahlen hat in vielen Orten zu großen Veränderungen geführt. Neue, spannende Mehrheitsverhältnisse zum Beispiel in Bad Homburg und Oberursel setzen Zeichen bei politischen Inhalten und vor allem in Fragen von Transparenz und Bürgernähe. Im Hochtaunuskreis hebt sich die Koalition aus CDU und SPD davon negativ ab. Welche Ziele sie verfolgen stünde im oft zitierten Koalitionsvertrag, der jedoch nie veröffentlicht wurde und auch auf Nachfrage nicht zu erhalten ist.

So können wir nun keine Bilanz anhand der umgesetzten Ziele ziehen. Wir sind für diese Bilanz auf die jeweiligen Beschlussfassungen im Kreistag angewiesen.

Beispielhaft werden wir die Beschlussfassungen in den Bereichen Soziales, Finanzen und Umwelt nachvollziehen und bewerten. Die Sozialpolitik liegt nach eigenen Aussagen der SPD besonders am Herzen, der Bereich der Finanzpolitik wird als Schwerpunkt immer wieder von der CDU genannt und für uns GRÜNE ist von besonderem Interesse, ob Umweltschutz und die Energiewende, die ja neuerdings in aller Munde sind, den Vorrang bekommen, der notwendig ist.

 Soziales

Themenschwerpunkte waren im letzten Jahr das Schulbauprogramm im Zusammenhang mit der Inklusion nach der UN-Konvention, die Schließung der Asylbewerberunterkunft in Oberursel, ein Ombudsmann für Streitfälle im Bereich der Sozialverwaltung und die Weihnachtsbeihilfe für Kinder, deren Eltern Sozialleistungen erhalten. Ein Thema, das den besonderen Umgang mit der Opposition zeigt, war der geplante Verkauf von Landesanteilen der Nassauischen Heimstätte.

 Ombudsstelle:

Der Ombudsmann ist ohne Zweifel ein Erfolg der SPD in der Koalition. Die Notwendigkeit einer solchen Stelle wurde von der CDU in der Vergangenheit immer heftig bestritten. Möglicherweise resultiert diese Sinnesänderung jedoch aus dem Betrugsfall bei der Betreuung im Bereich ALG II im Jahr 2010. Im September 2011 wurde diese Stelle mit den Stimmen aller Parteien im Kreistag beschlossen. Den Änderungsantrag der GRÜNEN zur Spezifizierung auf SGB II lehnte die Koalition jedoch ab. So weit war die Einsicht bei der CDU doch noch nicht angekommen. Ob diese Aufgabe nun in der Praxis auf ehrenamtlicher Basis bewältigt werden kann, das werden wir GRÜNE ganz genau beobachten.

 Weihnachtsbeihilfe:

Nach vielen Jahren, in denen GRÜNE und LINKE keine Mehrheiten für Anträge auf 50 € Weihnachtsbeihilfe für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen finden konnten, hat die neue Koalition in ihrem ersten Jahr ein solches Weihnachtsfeld eingeführt. Die Halbierung auf 25 € und eine Altersbeschränkung auf 16 Jahre ist willkürlich und erweckt den Eindruck, als habe die Koalition den richtigen Weg zwar gefunden, beschreite ihn jedoch nur zögerlich.

 Containerlager für Flüchtlinge:

Es ist für uns GRÜNE besonders bitter, dass das vergammelte Containerlager in Oberursel weiterhin als Asylbewerberunterkunft genutzt wir. Der Zeitpunkt der Schließung ist völlig offen.

Der GRÜNE Antrag, bis Juli 2012 zu schließen, fand im September 2011 keine Mehrheit. Der Änderungsantrag der Koalition, die Unterkunft solle geschlossen werden, war aus unserer Sicht schon ein großer Fortschritt. Doch statt dem Kreisausschuss einen klaren Auftrag zu erteilen, steht der Beschluss unter dem Vorbehalt erfolgreichen Verwaltungshandelns, das bis heute auf sich warten lässt. Die Suche nach alternativen Unterkünften für Flüchtlinge im Hochtaunuskreis verläuft stockend bis ergebnislos, der Vertrag für das Containerlager wird jährlich verlängert. Mehr als ihre guten Absichten öffentlich zu machen hat die Koalition nicht erreicht.

Für die betroffenen Menschen in der Flüchtlingsunterkunft ist besonders bitter, dass dadurch auch weiterhin der Betreiber pauschal für soziale Betreuung zuständig bleibt. Eine Aufgabe, der nach bestätigten Aussagen Betroffener nur sehr lückenhaft nachgekommen wird. Selbst die Vorgabe, Familien mit Kindern nicht mehr im Containerlager unterzubringen, die die Koalition für sich als Erfolg reklamiert, ist kritisch zu betrachten. Bei unserem Besuch in der Unterkunft hörten wir Kinderstimmen im Flur, sahen Kinderwagen und Kinderfahrräder abgestellt. Auf unsere Anfrage wurde bestätigt, dass zu unterschiedlichen Stichtagen mindestens 14 Kinder in der Unterkunft wohnen.

Schulbauprogramm:

Als deutlich wurde, dass unsere Befürchtungen im Schulbauprogramm Wirklichkeit werden und für die letzten Schulen, die neu gebaut werden müssen, kein Geld mehr übrig ist, war auch schnell klar, dass es die Schwächsten mal wieder am Härtesten trifft. Alle Förderschulen im Hochtaunuskreis müssen länger auf Neubau und Sanierung warten. Unsere Initiative, sofort zumindest in den bestehenden Altbauten für akzeptable Lernbedingungen in den nächsten Jahren zu sorgen, fand keine Mehrheit. Für Förderschüler gibt es auch in einer schwarz-roten Koalition keine Lobby. Mit dem üblichen Änderungsantrag wurde unsere Initiative auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben, an der teils miserablen räumlichen Situation ändert sich nichts.

 Inklusion:

Die von der UN-Konvention geforderte, grundsätzliche gemeinsame Beschulung , das heißt die Möglichkeit für Kinder mit Beeinträchtigung, eine reguläre Schule zu besuchen, stellt den Hochtaunuskreis vor große Herausforderungen. Die Zusammenlegung der Haupt- und Realschule in Usingen mit der Förderschule Wehrheim in einem geteilten Neubau ist ein erster Schritt im Prozess, Gesellschaft und Schulgemeinden dem Prinzip der Inklusion anzunähern. Ungeeignet ist die Maßnahme, um Einsparungen am mittlerweile völlig überdimensionierten Schulbauprogramm zu erreichen. Der Koalition fehlt es an konkreten Vorstellungen, wie sie die UN-Konvention zur Inklusion nun umsetzen wollen. Entweder es soll eine Diskussion in der Politik geben, warum verschiebt man dann das Thema im Ausschuss unter Hinweis auf fehlende landesrechtliche Vorgaben ständig? Wenn es in der Koalition konkrete Vorstellungen gibt, warum gibt es dann nicht eine Vorlage über die Umsetzung der UN-Konvention, die man dann diskutieren könnte? So gibt es nur Stillstand und Hinhalten von Diskussionen, aktive und Politik im Sinne der Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen sieht anders aus.

Finanzen

Den Hochtaunuskreis drückt eine Schuldenlast von etwa ca. 600 Millionen Euro. Sinnvoll wäre eine Überprüfung sämtlicher freiwilliger Ausgaben, eine deutliche Zielsetzung, welche Aufgaben man weiterhin finanzieren will und welche Ausgaben man grundsätzlich einsparen will. So ließe sich Verantwortung demonstrieren, wäre es möglich, politische Signale zu setzen.

CDU und SPD stehen in Zeiten, wo überall streng gespart werden muss, für politische Spielchen auf Kosten der Städte und Gemeinden. Im Wahlkampf wurde das Thema PPR-Tunnel von der CDU wieder ausgegraben und hat unter Schwarz-Rot eine neue Dimension von Verantwortungslosigkeit bekommen. Die Erhöhung der Kreisumlage allein für die Finanzierung der Planungsgesellschaft geht zu Lasten der Städte und Gemeinden. Dabei wird den Bürgerinnen und Bürgern vorgegaukelt, es ginge um die Lösung ihrer Probleme. Tatsächlich geht es nur darum, in Bad Homburg politischen Entwicklungen zurückzudrehen und für die CDU die Wählergunst im Usinger Land zu erhalten. Ob diese Konstruktion rechtmäßig ist, bleibt ohnehin fraglich. Eine zweckgebundene Erhöhung der Kreisumlage lässt das Haushaltsrecht nicht zu. Und eine weitere Verpflichtung zu hohen Investitionen hat das Regierungspräsidium bereits im vergangenen Jahr untersagt. Was dazu jetzt noch in welchen Hinterzimmern zu prüfen ist, wie der Landrat in dieser Woche mitgeteilt hat, ist eine spannende Frage.

Es gibt weitere Hinweise, dass zukünftige Investitionen nicht sorgsam mit Blick auf die Gesamthaushaltslage geplant werden. Noch immer gibt es keine Prioritätenliste für das Schulbauprogramm. Das Sprichwort „Den letzten beißen die Hunde“ ist längst Realität. Denn neben den Förderschulen trifft es zum Beispiel auf die Gesamtschule am Gluckenstein und die Adolf-Reichwein-Schule. Bilanz der Koalition? Weiterhin Unsicherheit und Frustration.

Zudem ist für den Schuldenstand des Kreises kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht. Ob Taunus Menue Service oder Kreiskrankenhaus – an keiner Stelle ist ein mutiges Umsteuern zu erkennen. Es bleibt allein das Prinzip Hoffnung.

Umwelt

Als GRÜNE Fraktion wollen wir zum Abschluss noch einen Blick auf den Bereich der Umweltpolitik wagen.

Wir feierten es als Erfolg, dass 2006 der Hochtaunuskreis aufgrund eines GRÜNEN Antrags die Bereitschaft erklärte, kreiseigene Gebäude für Photovoltaikanlagen zur Verfügung zu stellen. Allein es passierte nichts. Kaum eine Bürgerfotovoltaikanlage auf einem kreiseigenen Gebäude existiert. Da haben wir uns wohl zu früh gefreut. Nun gibt es einen einstimmigen Kreistagsbeschluss, die Liegenschaften des Kreises für Photovoltaikanlagen der kreiseigenen Gesellschaften MTR und RMD zur Verfügung zu stellen. Ob dies hilft, der Energiewende im Kreis auf die Sprünge zu helfen? Wir bezweifeln dies und sind vollkommen desillusioniert.

Wo bleiben die Akzente der Koalition? Zuletzt hat sie in der Sitzung des Ausschusses für Bauen, Planung, Verkehr und Umwelt einen GRÜNEN Antrag auf Bildung eines Arbeitskreises abgelehnt, der den Ausbau der Erneuerbaren Energien in den Kommunen koordinieren sollte, abgelehnt. Dabei wäre eine koordinierenden Rolle insbesondere bei dem Ausbau der Windenergie extrem wichtig.

In den einzelnen Kommunen stehen die Windkraftbetreiber vor der Tür, obwohl an einzelnen Standorten dies einen gravierenden Eingriff in Waldflächen bedeutet. Eine Koordination des Ausbaus über Gemeindegrenzen hinweg, wäre wichtig. Aber ein Engagement des Hochtaunuskreises ist nicht in Sicht. Eben sowenig wie eine Alternative zu dem von uns GRÜNEN vorgeschlagenen Arbeitskreis. Welches Ziel verfolgt der Hochtaunuskreis? Wir wissen es nicht!

Die Koalition will uns einzig die RMD als Allheilmittel anbieten. Bürgerbeteiligung findet nicht statt. Dezentralisierung der Energieversorgung endet bei den Wünschen der RMD. Beratungsresistent werden die Ideen der Opposition und der Umweltverbände abgewehrt, ohne ein eigenes Konzept vorzulegen. Ein Offenbarungseid der besonderen Art.

Resümee

Eigene Ideen der Koalition sind Mangelware. Schwarz-Rot hat nahezu alle Befürchtungen bestätigt. Die Koalition ist sich selbst genug. Aus dieser Zufriedenheit resultiert nicht nur Stillstand, es verschärft sich sogar die katastrophale Finanzlage des Kreises. Mutlos, ignorant und ohne Ideen schlingert die Koalition dahin und vergrößert die Kluft zwischen dem Kreis und seinen Kommunen mehr und mehr.

Ein Jahr Schwarz-Rot ist für den Hochtaunuskreis ein verlorenes Jahr in einer enorm schwierigen Zeit.

Juli 2012

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

Kreistagsfraktion Hochtaunus