Persönlicher Bericht von Christof Fink
GRÜNE Bundesdelegiertenkonferenz vom 11. – 13.11.16 in Münster
Nach 15 Jahren war ich mal wieder Delegierter auf einem Bundesparteitag. Zwischen 1994 und 2000 war ich auf nahezu jeder BDK, aber seitdem hat es sich irgendwie nicht mehr ergeben. Umso gespannter war ich, wie sich meine Erfahrungen mit den neuen Erlebnissen decken würden.
Vorneweg: die Partei ist immer noch dieselbe, aber sie ist definitiv im neuen Jahrtausend angekommen.
Früher, also im Vor-Internetzeitalter, bekam man noch dicke Briefumschläge mit Anträgen und Beschlussvorlagen zugeschickt. Dieses Mal konnte ich mir alle Anträge und Änderungsantrage im Internet durchlesen. Das gilt übrigens nicht nur für die Delegierten, sondern für alle Interessierten. Ein großer Transparenzvorsprung gegenüber früher!
Diskussions- und streitfreudig war unsere GRÜNE Partei ja schon immer und man hat immer schon gerne um jedes Komma und die richtige Formulierung in den Beschlüssen gerungen. Ich habe aber den Eindruck, dass die moderne Technik hier neue Möglichkeiten eröffnet. Die Flut der Änderungsanträge zu dieser BDK war kaum zu überschauen. Um die 800 müssen es gewesen sein. Dies war auch ein wichtiges parteiinternes Thema auf der Versammlung, aber dazu später mehr.
Mir jedenfalls, obwohl sehr digitalaffin, fiel es schwer, mich in die Unterlagen einzuarbeiten, geschweige denn, die diversen Änderungsvorschläge von BAGen, von Landes- und Kreisverbänden sowie Basismitgliedern zu den Leitanträgen zu verarbeiten. Dies war aber in der Tiefe auch überhaupt nicht nötig, denn die meisten dieser Änderungsanträge kamen – wie bei jeder BDK üblich – überhaupt nicht zur Abstimmung. Die von den Delegierten auf zwei Jahre gewählte Antragskommission, bestehend aus acht Mitgliedern, hat vor und während der BDKen eine Knochenarbeit zu leisten und eine hohe Verantwortung zu tragen. Ihr Job ist es, die Änderungsanträge zu sichten und mit den Antragstellern zu verhandeln, was gegebenenfalls als redaktionelle Änderung, inhaltlich sinnvolle Erweiterung oder notwendige Veränderung übernommen werden kann, welche Anträge ggf. doppelt und dreifach vorkommen und daher teilweise erledigt sind oder bei welchen es sich um tatsächliche inhaltliche Alternativen handelt, die der Versammlung zur Abstimmung vorzulegen sind. So blieben am Ende von mehr als 800 Anträgen nur noch wenige übrig, die tatsächlich abgestimmt wurden. Ob das aber wirklich ein transparentes und sinnvolles demokratisches Verfahren ist, wage ich zu bezweifeln. Hier werden GRÜNE neue Wege finden müssen, um den einzelnen Anträgen wieder mehr Gewicht zu geben und die Textarbeit an den Beschlüssen anders zu organisieren.
Die digitale Zurverfügungstellung der Unterlagen hat aber auch gewaltige Vorteile. Die Massen an Papier, die sich früher auf jedem Delegiertenplatz stapelten, sind verschwunden. Nahezu auf jedem Tisch befand sich ein Laptop oder ein Tablet. Es ist wesentlich aufgeräumter und weniger chaotisch.
Tag 1, Freitag 11.11.16
Den Auftakt der Versammlung machte eine humorvolles Grußwort des Oberbürgermeisters von Münster, Markus Lewe, der sich bewusst sein konnte, als OB der deutschen Fahrradhauptstadt auf einem GRÜNEN Parteitag ein Heimspiel zu haben, auch wenn er von der CDU ist.
Im Anschluss gab es die üblichen Formalitäten eines Parteitags: von der Abstimmung über das Präsidium, die Bestimmung der Geschäftsordnung, Festlegung der Tagesordnung etc.
Spannend wurde es dann bei der Frage, ob Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, am Sonntag eine Gastrede halten dürfe oder nicht. Die Mehrheit des Parteitags folgte dem Vorschlag des Bundesvorstandes und setzte damit ein wichtiges Zeichen für die Dialogfähigkeit der GRÜNEN.
Interessanterweise gab es aber keinerlei Kritik an den weiteren angekündigten Gastrednern, obwohl auch diese nicht für lupenreine GRÜNE Politik stehen. So vertritt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann bspw. auch Teilgewerkschaften, wie die IG Metall oder die IG BCE, die Klimaschutz immer noch als reinen Arbeitsplatzabbau bekämpfen.
Ich bin der Überzeugung, dass Gastredner, an denen wir GRÜNE uns inhaltlich reiben können, unserer Partei gut tun. Wir haben uns immer dafür gerühmt, gesellschaftliche Debatten stellvertretend zu führen. Das geht aber nur, wenn wir auch Menschen zuhören, die andere Positionen als wir vertreten. Die Bereitschaft, auch andere Meinungen zu Wort kommen zu lassen und sich dem Ringen um die richtige Position auszusetzen, ist quasi abhandengekommen – dies scheint mir ein Grundübel unserer Zeit zu sein.
Mit der politischen Rede von Cem Özdemir wurde der Parteitag dann endlich auch inhaltlich eröffnet (https://youtu.be/0sZXnTwuJ7Y). Die Rede war politisch interessant, allerdings empfand ich sie aber nicht als sonderlich mitreißend und bewegend.
Gerade am ersten Abend war es stattdessen so, dass gerade die Gastredner die bemerkenswertesten, besten und auch am meisten beklatschten Reden gehalten haben. Ein inhaltlicher Höhepunkt des ersten Abends war der Beitrag von Bastian Hermisson, Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington D. C., der eine kluge und klare Analyse der aktuellen politischen Weltlage nach der Wahl von Donald Trump vorgenommen hat (https://youtu.be/7MuIwpFzxis). Bastian Hermisson hat sehr deutlich gemacht, dass gerade die progressiven politischen Kräfte in den vergangenen Jahrzehnten in den USA den Kontakt zu breiten Schichten der Bevölkerung verloren haben. Einen wichtigen Anteil daran haben, so Bastian Hermisson, auch die Informations- und Kommunikationsblasen, die sich in den vergangenen Jahren im Internet gebildet haben. Die unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Gruppen tauschen sich nur noch mit Gleichgesinnten aus und bestätigen sich ihr Weltbild gegenseitig.
Auch wir GRÜNE neigen dazu und erheben uns gleichzeitig moralisch über alldiejenigen, die nicht unseren Erkenntnisstand über die vermeintlichen gesellschaftlichen und ökologischen Notwendigkeiten haben. Damit müsse Schluss sein, so Bastian Hermisson. All denjenigen, die jetzt hoffen, unter Trump würde es schon nicht so schlimm werden, hielt er ein deutliches „Wacht auf!“ entgegen.
Eine weitere Rede, die für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat, war die des Europaabgeordneten Alyn Smith von der Scottish National Party (https://youtu.be/L-Z09vJCQd8). Mit viel Leidenschaft trat er für Europa und die Zusammenarbeit auf unserem Kontinent ein. Die Aufforderung, manche kleinlichen Debatten um tagespolitische Details hinter dem europäischen Projekt zurückzustellen, kleidete er in das Sprichwort: „Wir haben keine Zeit über die Farbe der Vorhänge zu streiten, wenn das Dach des europäischen Hauses brennt“. Ein Vortrag, der mich sehr beindruckt hat.
Mit der Debatte darüber und dem anschließenden Beschluss haben sich die GRÜNEN als klar pro-europäisch positioniert. Gut so!
Der emotionale Höhepunkt des ersten Abends war die Demonstration der Aachener GRÜNEN, die auf der Bühne für die Abschaltung des belgischen Atomreaktors Thiange eingetreten sind und damit den Großteil der Delegierten – mich eingeschlossen – von den Stühlen rissen.
Am Abend wurde dann erst das Verfahren zur Aufstellung des Bundestagswahlprogramms beschlossen – um direkt im Anschluss daran in Workshops inhaltlich zu arbeiten. Freitagabend ab viertel vor zehn in Workshops an den Schlüsselprojekten für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl zu arbeiten… An Motivation und Arbeitsethos mangelt es den GRÜNEN definitiv nicht. Im Anschluss daran, nach halb elf, haben die üblichen Strömungstreffen der Linken (aka Fundis) und der Reformer (sprich Realos) getagt.
Die Münsteraner Gastronomie hatte nicht wirklich viel von den GRÜNEN an diesem Wochenende…
Tag 2, Samstag 12.11.16
Der zweite Tag begann früh. Zwar startete die BDK erst um 9.30 Uhr, aber vorher stand das traditionelle Treffen der hessischen Delegierten an. Bereits um 8 Uhr versammelten sich also alle Hessinnen und Hessen in einem Konferenzraum eines Hotels in der Nachbarschaft der Tagungshalle, um über die anstehenden Abstimmungen auf dem Parteitag zu diskutieren.
Leider war es ein anderes Hotel, als das in dem ich (und viele weitere hessische Delegierte) genächtigt haben. Dies bedeutete Aufstehen und Frühstück bereits zu Zeiten, die an einem Samstag eher unüblich sind. Aber der Austausch war wichtig, um auf dem Parteitag den Überblick zu behalten.
Das Thema des zweiten Tages war der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Unter den Gastrednern dieses Tagesordnungspunktes sprachen unter anderem der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann (https://youtu.be/lk54hXdgJfk) und Ulrich Lilie, der Präsident der Diakonie Deutschland (https://youtu.be/njKibqup-QA). Insbesondere die Rede von Reiner Hoffmann empfand ich als enttäuschend, war sie doch sehr anbiedernd.
Im Rahmen der Debatte war auch Winfried Kretschmann als Redner gesetzt, ein von der Versammlung mit Spannung erwarteter Redebeitrag (https://youtu.be/JZUKRbzrss0). Winfried hat eine kluge Rede gehalten, auch mit nachdankenswerten Bestandteilen, insgesamt blieb sie meines Erachtens aber hinter den Erwartungen zurück. Was bei mir hängen blieb, war vor allem die Bemerkung, zivilisierter Streit halte die Gesellschaft zusammen, unzivilisierter reiße sie auseinander. Etwas, das wir uns wieder öfter zu Herzen nehmen sollten.
Die Debatte dauerte über drei Stunden und zeigte, dass das klassische GRÜNE Selbstverständnis als soziale Partei sehr berechtigt ist. Es war eine sehr intensive und kompetente Debatte mit vielen interessanten Beiträgen. Die Diskussion, vor allem auch zu den anschließenden Anträgen und Änderungsanträgen war sehr fair und – im Sinne Kretschmanns – sehr zivilisiert.
Leider blieb von der Debatte in der Öffentlichkeit fast nur die Entscheidung zum Thema Vermögenssteuer hängen. Hier setzte sich der bereits im Vorfeld der BDK stark diskutierte, sogenannte Kompromissvorschlag von Katrin Göring-Eckart und Toni Hofreiter durch. Die Anträge der Realos, die keine Festlegung auf ein konkretes Steuerinstrument gefordert haben, schieden bereits vor der Schlussabstimmung durch, vielleicht auch, weil sie sich gegenseitig blockiert haben. Vielleicht eine der größten Überraschungen der Versammlung.
Nach insgesamt sechs Stunden Diskussionen und Abstimmungen war dann dieser intensive und wichtige Tagesordnungspunkt beendet und wir wendeten uns um 16 Uhr dem zweiten Punkt des Tages zu…
Dabei musste das geplante Urwahlforum auf der BDK leider ausfallen, weil in Schleswig-Holstein die Vogelgrippe ausgebrochen war und Robert Habeck als Landwirtschaftsminister vor Ort eilen musste. Absolut verständlich, aber für die Partei dennoch schade.
Mit einem eigenen Tagesordnungspunkt wurde das 30 jährige Jubiläum des GRÜNEN Frauenstatuts gefeiert (https://youtu.be/YcsArqIHKEw). „Die Hälfte der Macht den Frauen“ in formale Statuten zu übersetzen war eine politische Revolution und hat nicht nur die GRÜNE Partei verändert. In einem filmischen Rückblick wurde auch an die vielen Fortschritte in der Gesellschaft erinnert, die für Frauen in den vergangenen 30 Jahren erreicht wurde, insb. durch GRÜNES Engagement. Nach einer kämpferischen und begeisternden Rede von Claudia Roth wurden alle Frauen aus dem Plenum auf die Bühne geholt. Ein starkes Bild und ein tolles Signal!
Selbstverständlich wurden auf der BDK auch reine Parteiinterna verhandelt. Es wurde der Haushaltsplan für 2017, inkl. des Wahlkampfhaushaltes beschlossen. Auch der Prozess zur Aufstellung des Bundestagswahlprogramms wurde beschlossen, mit einer umfassenden Basisbeteiligung. „Basisbeteiligung“ war dann auch das eines der prägenden Schlagworte für die nächste, die Satzungsdebatte. Angestoßen wurde dies vom Bundesvorstand, der die Hürde zur Antragstellung von BDK-Anträgen nach oben setzen wollte. Dies war sicherlich eine Reaktion auf die Flut von Anträgen und Änderungsanträgen zu dieser BDK, derer die Delegierten kaum noch Herr wurden. Doch trotz dieser Situation haben sich die Protagonisten, die im Vorschlag des Bundesvorstandes einen Angriff auf die Basisdemokratie gesehen haben, durchgesetzt. Letztlich hat der Antrag nicht die benötige 2/3-Mehrheit erreicht, so dass es bei der alten Regelung bleibt. Die Diskussion, wie man die Anzahl der Anträge für BDKen wieder reduzieren kann, ohne in die Beteiligungsrechte der Mitglieder einzugreifen, wird aber sicherlich weitergehen, eine Lösung ist nicht in Sicht.
In einer Satzungsänderung wurde dann die Rolle der Bundesarbeitsgemeinschaften gestärkt.
Außerdem wurden die Mitglieder der Antragskommission und die Rechnungsprüfer*innen (wieder-) gewählt.
Zum Ende des Tages wurden verschiedene Anträge beschlossen, zum Beispiel für mehr Datenschutz im Internet und gegen Hass im Netz und zur Lösung des Syrienkrieg.
Um halb zehn abends war dann Schluss, nach zwölf wirklich intensiven Stunden… und der Kongress tanzte! Bis spät in die Nacht haben die Delegierten gemeinsam auf der traditionellen BDK-Party gemeinsam gefeiert.
Tag 3, Sonntag 13.11.16
Eröffnet wurde der Sonntag mit dem sensiblen und wichtigen Thema Religion und Weltanschauung. Los ging es zu einer Zeit, die der ein oder andere sicherlich als „unchristlich“ bezeichnen würde, nämlich um 9 Uhr. Während überall in der Republik in den Kirchen Gottesdienste gefeiert wurden, haben wir GRÜNE über Religionsfreiheit diskutiert. Es war eine sehr engagierte, kompetente und sachliche Debatte. Der Diskussion auf dem Parteitag vorausgegangen war die Arbeit in einer parteiinternen Kommission, in der sich die BAG Christ*innen und die Säkularen GRÜNEN gemeinsam um die Positionierung der Partei in Fragen der Weltanschauung bemüht haben. Es muss ein sehr mühsamer, aber konstruktiver Prozess gewesen sein, denn die Vorsitzende der Kommission, Bettina Jarasch (Mitglied des Bundesvorstandes) wurde häufig für ihre Arbeit gelobt.
Gerade in der aktuellen Zeit, in der viele Kräfte wieder versuchen, Religionen für politische Zwecke zu missbrauchen und die Gesellschaft auseinander zu reißen, tut es gut, als Partei eine klare Haltung zu haben. Wir GRÜNE haben uns mit dem Beschluss der BDK eindeutig zur Religionsfreiheit als Kernbestandteil unseres demokratischen Gemeinwesens bekannt. Es steht Jeder und Jedem frei, seine Religion in diesem Land auszuüben, aber Religionsfreiheit bedeutet auch, frei von Religion bleiben zu dürfen. Und alle Religionsgemeinschaften haben klar auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen. Dieser Beschluss ist aber insofern noch nicht abschließend, weil zum Beispiel die Haltung der Partei zum Religionsunterricht noch zu klären ist. Gelohnt hat sich die Debatte auf jeden Fall, es war nach Ansicht vieler Delegierter die beste des Wochenendes.
Zum Abschluss der BDK stand dann unser Kernthema Energie- und Verkehrswende auf der Tagesordnung. Im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes trat auch der umstrittene Gastredner Dieter Zetsche auf. Zuvor trat aber der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, ans Mikrofon (https://youtu.be/MCL-S7jKtYo). Die DUH hatte wesentlichen Beitrag an der Aufdeckung des Abgasmanipulationsskandals in Deutschland und kämpft sehr unerbittlich um reine Luft in den Städten. Zum Teil haben auch GRÜNE Dezernentinnen und Dezernenten ihre Probleme mit den Klagen der DUH, weil diese vor Ort auf Umsetzung von EU-Regelungen klagt, die ohne klare gesetzliche Regelungen in Bund oder Ländern kaum umzusetzen sind.
Die Rede von Jürgen Resch wurde mit großem Beifall bedacht, weil er sehr deutlich aufgezeigt hat, dass es zum Teil nicht nur kriminelle Energie der Konzerne, sondern auch mangelnder Regelungs- und Durchsetzungswillen der Bundesregierung war und ist, der dafür sorgt, dass der KFZ-Verkehr einen noch viel zu hohen Schadstoffausstoß hat.
Als dann der Gastbeitrag von Dieter Zetsche anstand, wurde die Atmosphäre sehr aufgeladen (https://youtu.be/Cy1b4EaQC_4). In einer als „Vorstellung“ angekündigten Rede hat Cem Özdemir sich zu einer rhetorischen Glanzleistung aufgeschwungen und den Auftritt von Dieter Zetsche damit verteidigt, dass bei uns GRÜNEN die Debatten um die Zukunft geführt würden und nirgendwo sonst. Es sei ein großes Kompliment, dass jemand wie Dieter Zetsche zu uns GRÜNEN käme.
Zu Beginn der Rede haben dann GRÜNE Jugend und Vertreter des linken Flügels gegen Dieter Zetsche demonstriert, dieser blieb aber souverän und sachlich. Er überraschte den Parteitag mit einem klaren Bekenntnis zu den Beschlüssen des Klimakipfels von Paris und zur Dekarbonisierung. Aber er sprach sich, wenig überraschend, gegen Verbote aus und bezeugte die Vorreiterstellung der deutschen Automobilindustrie, auch bei der Elektrifizierung.
Im Anschluss gab es eine (kurze) Diskussionsrunde mit der WWF-Vertreterin Regina Günther und der GRÜNEN MdEP Barbara Lochbieler. Regine Günther erkannte an, dass Dieter Zetsche Veränderungen angekündigte, sie sah aber ein zu langsames Tempo. Zum Thema Rüstungsexporte an Saudi-Arabien und andere diktatorische Regime gab es deutliche Kritik von Barbara Lochbieler. Dieter Zetsche entgegnete, dass nur von einem kleinen Marktsegment die Rede sei, ohne große Bedeutung für den Konzern. Zusammenfassend muss ich aber konstatieren, dass Dieter Zetsche trotz offener und sachlicher Worte oft an den Fragen vorbei geantwortet hat.
Alles in allem war es meines Erachtens ein lohnender Auftritt von Dieter Zetsche und zwar für beide Seiten. Dieter Zetsche konnte demonstrieren, dass die Daimler AG auch kritischen Gesprächen nicht aus dem Weg geht und an Veränderung interessiert ist. Und auch wir GRÜNE konnten dokumentieren, dass wir unsere Argumente auf den Prüfstand stellen, gegenteilige Auffassungen zu Wort kommen lassen und für unsere Position kämpfen.
Die Debatte im Anschluss war, wie konnte es anders sein, kompetent. Sie wurde aber vorzeitig abgebrochen, da viele Delegierte zu ihren Zügen wollten.
Danach folgten noch die Abstimmungen über die vorliegenden Anträge. Dabei gab es noch eine Überraschung: So wurde das Ziel des Kohleausstiegs gegenüber dem Ursprungsvorschlag des Bundesvorstandes deutlich nach vorne verlegt, auf 2025 statt den beantragten 2035. An der Abstimmung haben allerdings nur noch ca. 60% der Delegierten teilgenommen.
So ging mein erster Parteitag seit vielen Jahren zu Ende.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass sich die GRÜNE Partei als lebendiger Ort für politische Debatten erwiesen hat. Wesentlich disziplinierter als früher, die Anzahl der Geschäftsordnungsanträge ließ sich an einer Hand abzählen. Es war zu allen Themen ein lohnender Streit mit sachlichen und kompetenten Beiträgen. Die Gastredner*innen haben zu allen Tagesordnungspunkten die Debatte erweitert und den Horizont der Partei geweitet. Die Ergebnisse des Parteitags können sich, im Großen und Ganzen, sehen lassen. Alle Beschlüsse finden sich übrigens hier: http://gruenlink.de/12iu.
Allerdings wurden, trotz der Beschlüsse von Münster, manche Themen nicht entschieden. Die Diskussionen über die Steuerpolitik werden mit Sicherheit im Vorfeld des Programmparteitags im Sommer nächsten Jahres wieder hochkommen.
Aus meiner Sicht ist die Partei quicklebendig, unbequem (vor allem zu sich selbst) und mit der innerparteilichen Diskussionskultur in jedem Fall beispielgebend für andere.
Es war, auch für mich persönlich, ein lohnender Ausflug nach Münster. Mit dem Bericht konnte ich hoffentlich ein wenig Einblick in die BDK geben und die ein oder andere Diskussion über unsere Standpunkte anregen.
Über Feedback freue ich mich!
Christof Fink, KV Hochtaunus, Christof.fink(at)gruene-hochtaunus.de